Interview zum Neubau pRED
Labore zukunftsfähig gestalten, um sie über Jahre sinnvoll nutzen zu können, ist der Wunsch von Betreibern und Wissenschaftlern gleichermaßen. Umbauten sind teuer und brauchen Zeit – deshalb den Neubau also gleich so konzipieren, dass er den Ansprüchen der Zukunft genügt. Ein Team der F. Hoffmann-La Roche AG hat sich mit dem "Labor der Zukunft" für pRED beschäftigt und setzt dies nun in Basel um.
Dr. Geo Adam, Global Head of Research Infrastructure Projects der F. Hoffmann-La Roche AG, Verantwortlicher für die weltweiten Investitionsprojekte im Bereich Forschung und frühe Entwicklung, erzählt uns, welche Gedanken und Beweggründe im Team zum Neubau für pRED und darüber hinaus diskutiert wurden.
Arzneimittelproduktionen werden zunehmend nach Asien ausgelagert. Inwiefern hat dies einen Einfluss auf den Forschungsstandort Europa?
Relativ wenig, oft ist die Forschung und Herstellung von Arzneimitteln an verschiedenen Orten untergebracht. Der Trend in der Produktion ist ja, dort zu produzieren, wo auch die Abnehmer sind, und in der Forschung ist der beste Ort dort, wo das Umfeld die Innovation am besten fördert. Das sind Europa und die USA, aber auch Japan und andere asiatische Länder sind hier zu nennen. Roche hat zum Beispiel gerade ein neues Innovationszentrum in Shanghai eingeweiht und in Yokohama entsteht ein großes Forschungszentrum unserer Kollegen von Chugai.
Wie attraktiv ist der Forschungsstandort Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) für junge Forscher aus aller Welt?
Die reinen Forschungsbedingungen in der DACH-Region im Vergleich zu z. B. den USA würde ich als ebenbürtig attraktiv sehen. Die größten Herausforderungen für Forscher, die nicht aus der DACH-Region kommen, sind vielmehr die Kultur und die Sprache, also eher die Umfeldfaktoren. Dass unsere Region als Forschungsstandort nicht nur attraktiv, sondern auch äußerst innovativ ist, zeigt sich ebenfalls in der Anzahl an Patenten. Die Schweiz hat z. B. die meisten Patente pro Kopf und kann so als das innovativste Land der Welt angesehen werden.
Aktuell entsteht in Basel das pRED Innovation Center. Wofür steht die Abkürzung „pRED“ und wie organisiert Roche seine globale Forschung?
Roche pRED ist die Abkürzung für „Pharma Research and Early Development“ und ist eine von vier Gruppen, die innerhalb der Roche AG Forschung und frühe Entwicklung betreiben. Bei pRED arbeiten zurzeit über 2.200 Wissenschaftler an insgesamt sieben Standorten in Europa, Nordamerika und in Asien. Neben pRED gibt es noch zwei Forschungsorganisationen der Roche AG, die sich mit der Erforschung von Medikamenten befassen: gRED in Kalifornien und Chugai in Japan. Und auch die Roche Diagnostics hat eine eigene Forschungsabteilung. Dass es dabei ab und an zu „Wettbewerben“ um die beste Lösung eines Problems kommt, ist gewollt. Schließlich geht jedes Forscherteam mit einem anderen Ansatz an ein Problem heran. Am Ende entscheiden dann die klinischen Daten, welche Lösung die beste für die Patienten ist. Ein ähnlicher Ansatz kommt auch zum Zuge, wenn wir Forschungsfirmen übernehmen: Wir versuchen nicht, diese Teams in eine große Forschungseinheit zu integrieren! Besser ist es, dafür zu sorgen, dass die Forscher ihre innovativen Ideen weiter in der dort entwickelten Forschungskultur verfolgen können.
Ihre Kollegen und Sie haben in einem Planungszeitraum von mehr als fünf Jahren ein weltweit einzigartiges Gebäudekonzept entwickelt, mit dem Ziel, einen Benchmark zu setzen. Welche Aspekte waren hierbei entscheidend?
Ich weiß nicht, ob wir hier einzigartig sind, was aber stimmt ist, dass wir uns sehr viele Gedanken zu einer modernen und – soweit möglich – zukunftssicheren Forschungsumgebung gemacht haben. So ein Bau ist eine einzigartige Chance, die gängigen Konzepte dahingehend zu hinterfragen, inwieweit sie den immer wieder veränderten Ansprüchen standhalten können. Hier haben wir drei „guiding principles“ verfolgt, die wir ganz zu Anfang mit unserem Top-Management festgezurrt haben:
– Eine durch die Architektur vorgegebene großzügige, offene und transparente Umgebung, die Kommunikation und Zusammenarbeit bestmöglich fördert. Als Beispiele möchte ich hier die besondere Lage der Gebäudekerne nennen, die große zusammenhängende Flächen ermöglichen, auf denen großzügige Layouts von „Laborlandschaften“ und Auswertebereichen realisiert werden können. Diese Bereiche haben immer auch Orte, wo sich die Forscher spontan zusammensetzen und diskutieren können, ohne dabei den jeweiligen Bereich verlassen zu müssen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Forscher in stockwerksübergreifenden „neighborhoods“ mit Kollegen aus Biologie, Medizin, Chemie und Technologie zusammenarbeiten können; genauso wie sie auch in den Projekten zusammenarbeiten. Und nicht zu vergessen die Cafeterien, von denen wir zwei im Gebäude planen: Unendlich wichtig, um zusammenzusitzen und sich über Gott, die Welt und/oder das Resultat des letzten Versuchs zu unterhalten. Bei unseren Kollegen in gRED steht eine Bronzeskulptur, die die Gründer von Genentech, Herbert Boyer und Bob Swanson, an einem Tisch in einer Cafeteria in einer Diskussion zeigt...
– Ein modularer, flexibler Ausbau, der kleinere und größere Veränderungen und Umbauten schnell und kostengünstig ermöglicht. Unser Projektteam hat uns hier eine sehr gute Lösung entwickelt, die das schnelle Versetzen von Wänden und damit die Veränderung der Labore sehr einfach macht. Das Konzept zieht sich durch bis zur modularen Installation der Medienversorgung und der Labormöbel, also bis zum Anschluss, an dem der Forscher seine Apparatur anhängen muss. Hierbei spielt auch die Zusammenarbeit mit den Laborausstattern eine immens wichtige Rolle.
– Eine Einrichtung, die hinsichtlich Ergonomie und Wohlfühlen unsere Forscher so begeistert, dass sie sich freuen, in diesen Laboren arbeiten zu können. Hier war z. B. das Gespräch mit den Physiotherapeuten unseres Medizinischen Dienstes sehr aufschlussreich: Wie können wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter langfristig noch besser schützen? Wie kann das Mobiliar im Labor helfen? Wir sind also auf die Hersteller der Abzüge und Biosicherheitswerkbänke zugegangen und haben gefragt, wie wir gemeinsam eine Weiterentwicklung bewerkstelligen können. Und nicht nur im ergonomischen Bereich, sondern auch auf dem Gebiet der Digitalisierung, der Versuchsüberwachung usw. Und natürlich müssen die Abzüge und Werkbänke weiterhin alle Vorschriften erfüllen, praktisch nutzbar sein und so aussehen, dass es Spaß macht, ins Labor zu kommen.
Sie haben mit Hilfe von modernen Technologien wie Virtual und Augmented Reality (VR und AR) die späteren Nutzer des pRED Centers bereits in einem sehr frühen Planungsstadium involviert, um zukünftige Arbeitsprozesse, Arbeitsplatzkonzepte und deren Ausstattung zu simulieren. Welche Vorteile ergeben sich aus diesem Ansatz?
Die Visualisierung in einem sehr frühen Planungsprozess kann die Planung sehr viel greifbarer machen, auch für nicht-Architekten und nicht-Ingenieure. Den größten Vorteil sehe ich jedoch in der Einbindung der zukünftigen Nutzer der Labore, die durch die Simulierung der Arbeitsabläufe die Labore so gestalten können, dass sie optimal funktionieren. Das steigert die Motivation enorm und hilft beim „change management“, also der Heranführung der Mitarbeitenden an die neue Laborumgebung – ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Auch im Labor spielen Digitalisierung, Konnektivität und Automatisierung eine große Rolle. Was müssen wir bereits heute tun, um zukünftige Potentiale auch nutzen zu können?
Tatsächlich ist dies für uns ein riesiges Thema. Wie oben schon erwähnt, werden die Labore groß sein, und unsere Forscher müssen in der Lage sein, ihre Daten einfach und sicher an der Bench oder ihrem Schreibarbeitsplatz einzugeben und zu erhalten. Notizzettel, Blocks oder USB-Sticks, die durch die Gegend getragen werden, sollten aus Gründen der Datensicherheit, der Hygiene und schlicht aus Effizienzgründen der Vergangenheit angehören. Diese Rohdaten bilden ja die Basis für die großen Themen „big data“-Analyse und künstliche Intelligenz bei der Interpretierung der Daten. Auch eine Überwachung von Versuchen, per Kamera und/oder Sensor, spart Arbeitszeit und erlaubt eine bessere Nachvollziehbarkeit. Das bedeutet eine weitgehende Vernetzung von Geräten, Kapellen, Waagen, etc. Dann das ganze Thema der Automatisierung, die ebenfalls auf eine bestmögliche Vernetzung der einzelnen Komponenten angewiesen ist und offene Schnittstellen bei der oft proprietären Gerätesoftware erfordert. Hier sind die Laborausstatter und Gerätehersteller gefordert, und wer hier offen und innovativ ist, wird aus unserer Sicht einen Wettbewerbsvorteil haben. Wir bei Roche achten bei der Auswahl unserer Partner auf jeden Fall sehr genau auf diesen Aspekt.
Eines der großen Themen der letzten Jahre ist die Nachhaltigkeit. Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in Ihren Laboren – z. B. in Bezug auf die Materialien, Energie, das Recycling, …?
Bei Roche ist dieses Thema quasi in der Unternehmens-DNA enthalten, denn Lukas Hoffmann, der Enkel des Firmengründers Fritz Hoffmann-La Roche, war Gründungsmitglied des World Wildlife Fund (WWF). Seit sehr langer Zeit wird daher der Nachhaltigkeitsgedanke bei uns großgeschrieben. Es geht dabei nicht nur um Maßnahmen im ökologischen, sondern auch im ökonomischen und sozialen Bereich. Geht es um die ökologische Nachhaltigkeit, denken wir umfassend, von ganz groß wie der Energieeffizienz der Gebäude bis zu kleinen Einzelmaßnahmen. So haben wir z. B. vor ein paar Jahren den Sprudler unserer Wasserhähne gegen sparsamere Modelle ausgetauscht und so über alle Gebäude eine gewaltige Menge an Frischwasser eingespart. Bei unserem aktuellen Neubau werden wir natürlich auch die höchsten Anforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit erfüllen. Beim Rohbau wird beispielsweise, wo möglich, Recyclingbeton verwendet und die Gebäude werden äußerst energieeffizient sein. Auf den neuen Gebäuden am Standort werden, wo möglich, Solaranlagen zur Stromerzeugung installiert. Als Anerkennung für unsere Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit wurde Roche in den letzten zwölf Jahren elfmal als das nachhaltigsten Unternehmen innerhalb der Pharmabranche im Dow Jones Sustainability Index (DJSI) ausgezeichnet.
Wie sehen Sie die Rolle Ihrer Partnerunternehmen in der Konzeptionierung und Gestaltung innovativer Arbeitsumgebungen?
Für uns wird dies zunehmend der entscheidende Punkt bei der Auswahl von Partnern. Wir brauchen Partner, die bereit sind, gemeinsam mit uns den Weg aktiv zu beschreiten. Partner, die Entwicklungen aktiv mit vorantreiben wollen und für uns innovative Sparringspartner sind. Nur in einem intensiven Austausch bei der Konzeptionierung werden die jeweils individuellen Anforderungen erreicht. Das ist für beide Seiten bereichernd und bringt für die Forscher und für die Betreiber die optimale Lösung.
Gibt es „best practice“-Beispiele, die die zukünftigen Anforderungen schon abbilden?
Das Labor der Zukunft, so wie ich es verstehe, gibt es aktuell noch nicht. Wir bei Roche versuchen, mit dem Neubau in Basel möglichst viele Elemente davon zu berücksichtigen. Hier ist ein intensives Zusammenwirken von Forschern, Architekten, Planern, Herstellern, Soft- und Hardwareentwicklern notwendig. Aus meiner Erfahrung braucht es hierfür Mut, Hirnschmalz, Vorinvestitionen und viel guten Willen. Ich bin sehr froh, dass wir beim aktuellen Projekt in vielen Bereichen aufgeschlossene Partner gefunden haben, und ich bin überzeugt, dass wir mit dem pRED Forschungsgebäude dem „Labor der Zukunft“ nahekommen und für unsere Forscher eine optimale Umgebung bieten werden.
Zur Person Dr. Geo Adam
Studium der Chemie in Freiburg und an der ETH Zürich. Promotion und Forschungsaufenthalt in den USA auf dem Gebiet der Naturstoffsynthese. 20 Jahre in verschiedenen Bereichen der Medikamentenforschung tätig, 10 Jahre Engagement in Bereichen der Standortentwicklung und Forschungs-Neu- und Umbauten.
Zum Projekt pRED von Roche in Basel:
Der neue Gebäudekomplex wird sich mit unterschiedlichen Höhen (18 m, 27 m, 72 m, 114 m) präsentieren. Dabei wird die Gestaltung der Gebäude gemeinsam mit der Forschungs- und Entwicklungsorganisation definiert, um die Bedürfnisse der Wissenschaftler optimal zu erfüllen. Die Gebäude werden für ca. 950 Büro- und 800 Laborarbeitsplätze auf dem neuesten Stand der Technik ausgelegt. Mit dem Forschungszentrum pRED soll u.a. die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern in der Forschung erleichtert und die Zusammenarbeit gestärkt werden.
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