Chaos ist kein guter Standard
Interview mit
Diplom-Ingenieurin Anna-Lena Fricke, Universitätsklinikum Bonn und
Charlotte Kaspari, GB6 Facility Management Universitätsklinikum Bonn
Sicherheit im Labor? „Frühzeitig“ ist hier das Schlüsselwort. Warum? Das sagen uns zwei Expertinnen des Universitätsklinikums Bonn vom diesjährigen Fachsymposium.
Sind Labore heute sicherer als vor zehn Jahren oder gibt es einfach mehr Vorschriften?
Charlotte Kaspari lacht: Nein, an den Vorschriften liegt es nicht, eher am Bewusstsein der Nutzer. Es gibt heute viele Sicherheitsvorrichtungen und sie werden auch genutzt. Das ist heute besser geworden. Wir Menschen sind so gestrickt, dass wir im laufenden Betrieb die potenziellen Gefahren quasi vergessen. Damit das nicht passiert, müssen die Nutzer dafür ein Bewusstsein entwickeln.
Anna-Lena Fricke: Da helfen auf alle Fälle regelmäßige Unterweisungen, um dieses Bewusstsein aufrecht zu erhalten.
Wie gestaltet sich in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit den Behörden?
Fricke: Die Behörden mit denen wir zu tun haben, „gehen mit“. Wir wissen aus Erfahrung, dass es schwieriger wird, wenn deren Mitarbeiter ihre Entscheidungen vom Schreibtisch aus treffen müssen. Es ist daher besser, wenn sie vor Ort kommen können, dann ist alles schneller besprochen und einfacher klar. Ein weiterer Vorteil: Wenn die Behörden ins Labor kommen, kommt mit ihnen der Standard. Es gibt dann keine „individuelle“ Sicherheitslösung des Laborteams. Davon profitiert auch die wissenschaftliche Arbeit, denn hier brauchen wir für reproduzierbare Ergebnisse nachvollziehbare Standards. Ich sage mal etwas salopp: Chaos im Labor ist auf jeden Fall kein guter Standard.
Bei gesetzeskonformer Ausstattung, wie hoch ist der Faktor Mensch bei der Sicherheit im Labor?
Kaspari: Sehr hoch. Die organisatorische Verantwortung ist enorm wichtig. Sicherheitstechnik, die nicht genutzt wird, nützt nichts.
Fricke: Wie gesagt, hier können wir durch Unterweisungen Bewusstsein schaffen. In diesem Zusammenhang finde ich ein gut funktionierendes Risikomanagement, so wie es am UKB vorhanden ist, wichtig. Im medizinischen Bereich gibt es zusätzlich das CIRS, also das Critical Incident Reporting System, über das Risiko-Fälle gemeldet werden können. So ein System könnte perspektivisch für den Laborbereich auch interessant sein. Schließlich können wir so auch aus den Fehlern von anderen lernen und vorbeugen. Es ist übrigens auch sinnvoll, das eigene Risikomanagement in gewissen Abständen von außen bewerten zu lassen.
Haben sich die Gefahrenstoffe geändert, mit denen heute standardmäßig gearbeitet wird? Und braucht es daher mehr S3 Labore?
Fricke: Wir forschen ja im medizinischen Bereich und da kann ich sagen, in Bezug auf die Coronaforschung schon. Es gibt die Tendenz, mehr Erreger der Wildtypen zu untersuchen, damit wir auf eventuell neu auf den Menschen überspringende Mutationen schneller reagieren und sie bekämpfen können. Für das UKB wäre ein zusätzliches S3 Labor daher durchaus interessant.
Haben sich die Ansprüche der Nutzer geändert?
Kaspari: Ja, eindeutig. Ich habe früher auch die Planung von Laboren betreut und aus dieser Erfahrung weiß ich: Die Nutzer sind heute viel informierter. Sie haben schon viel mehr Labore kennengelernt. Die Unis sind gut ausgestattet und diese Ausstattung wollen sie nun auch an ihrem Arbeitsplatz. Dabei legen sie viel Wert auf Flexibilität. Und es lohnt sich möglichst flexibel einsetzbare Labore mit einer durchdachten Ausstattung zu bauen, das ist gut investiertes Geld. Ich habe Labore vor über zehn Jahren mitgeplant und sie laufen immer noch mit wechselnden, zufriedenen Nutzern.
Und wie binde ich die späteren Nutzer in die Planung mit ein?
Kaspari: So früh wie nur irgend möglich, in Leistungsphase 0, am Besten gleich. Es gibt kein „zu früh“. Es geht ja auch um Fragen, wie: Was wollen sie aus dem alten Labor mitnehmen? Oder: Was brauchen sie für ihre Abläufe? Das wird oft falsch gemacht.
Fricke: Und natürlich auch die Behörden gleich mit reinnehmen: Brandschutz, Arbeitsschutz, biologische Sicherheit ... und einfach alle Beauftragten. Wenn die erst am Ende ins Labor kommen und noch nichts vorher gesehen haben, ist der Ärger fast vorprogrammiert.
Kaspari: Es ist immer schneller und günstiger im Vorfeld alles abzuklären als im Nachhinein nachbessern zu müssen.
Anna-Lena Fricke hat viel Erfahrung im Bereich der sicheren Gestaltung und dem sicheren Betrieb von gentechnischen Laboren. Sie war vor ihrer Tätigkeit beim UKB Aufsichtsperson bei der Bezirksregierung Köln. Seit 2012 ist sie als Leitung, der neu geschaffenen Stabsstelle Gentechnik, am UKB tätig.
Charlotte Kaspari verfügt über viel Erfahrung im Bereich Planung der technischen Gebäudeausstattung. Sie war in Afrika und Spanien tätig und ist seit 2011 als Abteilungsleiterin im Bereich Bauplanung und Baumanagement am Universitätsklinikum Bonn. Seit 2021 ist sie Geschäftsbereichsleiterin im Facility Management und kümmert sich um die Planung und das Projektmanagement der technischen Gebäudeausstattung.
Mit was für Problemen kämpfen Nutzer immer noch täglich? … Und womit nicht mehr?
Kaspari: am größten ist bei uns die Lagernot. Es gibt immer zu wenig Kühllager. Wenn eine Arbeitsgruppe in ihr Labor kommt, wächst sie meist schneller als der Laborraum, der ihnen zur Verfügung steht.
Fricke: Manchmal liegt es jedoch auch an den Nutzern. Da gibt es welche, die dazu neigen, ihr Kühlgut „zurückzulassen“, wenn sie in ein anderes Labor wechseln. Was in diesem Zusammenhang auch schwierig ist, wenn es Nutzer gibt, die auf eigene Faust Geräte anschaffen und anschließen, ohne auf die Auslegung vom Gebäude zu achten.
Und mit welchen Problemen kämpfen sie nicht mehr?
Fricke: Wir haben beispielsweise eine Wasserkühlung für die Geräte, die dadurch nicht mehr so laut sind und auch nicht mehr so warm werden, was im Sommer zu angenehmeren Temperaturen im Labor führt. Andere, laute Geräte stehen nicht mehr im Labor, sondern in extra Räumen.
Kaspari: Die Labore sind inzwischen als Nutzungseinheiten geplant, die Flure gehören zu dieser Einheit. Die Forschenden können dadurch mit ihren Arbeitsgeräten einfach von einem Arbeitsbereich zum anderen wechseln, ohne Türen als Hindernis. Im Großen und Ganzen liegt die höhere Zufriedenheit der Nutzer auch daran, dass sie einfach frühzeitig in die Planung mit einbezogen wurden.
Wie lange muss ein Labor heute halten: Wie flexibel muss ich es vorausschauend planen? Und kann ich „alte“ Labore aufrüsten.
Kaspari: Ganz klar: es lohnt sich alte Labore aufzurüsten. Allein aufgrund der CO2-Bilanz ist das einem Neubau vorzuziehen. Man rechnet heute mit einer Haltbarkeit der Labore von rund 25 Jahren. Wir haben aber ein paar, die deutlich älter und noch im Betrieb sind. Wir haben durch mehr ambulante Patienten inzwischen mehr Diagnostik. Daher planen wir aktuell im Zentrallabor einen Umbau für eine neue Laborstraße mit etwas mehr IT. Unser dortige Laborstraße ist rund 17 Jahre alt, wird dort aber stehen bleiben – und weiterlaufen, während wir die neue einbauen.
Was muss man beachten, wenn alte Labore auf neue Sicherheitsstandards aufgerüstet werden sollen (z.B. Anschlüsse an Luftmanagementsystem)?
Der eigentliche Umbau ist gar nicht so umfangreich, aber die Planung dazu beschäftigt uns jetzt schon fast ein Jahr. Es wird im Vorfeld alles minutiös geplant, damit der eigentliche Umbau so schnell wie möglich geht und mit möglichst wenig Belastung für die Beschäftigten im Labor
Wie sieht das aus mit den Unterschieden zwischen deutschen Sicherheitsnormen und Normen in den USA oder Japan: Inwieweit ist das für deutsche Laborbetreiber oder für die internationale Zusammenarbeit wichtig.
Kaspari: Es ist ganz einfach: Die Nutzer müssen sich an die Anforderungen im jeweiligen Land anpassen. Was die Sicherheit angeht, sind im Grunde hier wie dort die Labore sicher. In manchen Dingen sind wir strenger, in anderen Punkten die anderen Länder. In den USA ist in der Forschung viel mehr erlaubt, beispielsweise, was die Gentechnik angeht.
Fricke: Durch die internationale Forschung tauschen wir aber auch Impulse für eine gute Laborgestaltung aus. Die Idee der Großraumlabore kommt beispielsweise ursprünglich aus den USA und hat sich hier inzwischen etabliert.
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