Formula Student – mit Vollgas durchs Studium
Der internationale Engineering-Design Wettbewerb Formula Student ermöglicht angehenden Ingenieuren, während des Studiums in Eigenregie einen echten Rennwagen zu bauen. Eine Chance, die Chiara Frankenbach und Luis Retzbach, DHBW Studenten bei Waldner, für sich nutzen! Beide beteiligen sich aktiv am studentischen Rennteam Global Formula Racing (GFR) der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Wie sie zum GFR Team gekommen sind, was sie daran fasziniert und wie sie Studium und Leidenschaft unter einen Hut bekommen, erzählen sie im Gespräch über die rasanteste Herausforderung ihres Studentenlebens.
Chiara Frankenbach, 22, gehört seit April 2021 zum Formula Student Team an der DHBW Ravensburg, Campus Friedrichshafen. Bei GFR leitete sie bis Oktober das Subteam „Aerodynamics“ und war in der vergangenen Saison zudem Fahrerin.
Luis Retzbach, 21, ist seit Januar 2022 GFR-Mitglied und im Subteam „Suspension“ fürs Fahrwerk verantwortlich. Damit kommt der Formel1-Fan seinem Kindheitstraum, einmal Ferrari-Mechaniker zu werden, ein gutes Stück näher.
Chiara, Luis, als GFR habt ihr das Motto „Two Nations. One Team. One Mission.“ gewählt, weil es viel über euch aussagt. Erzählt mal, was genau?
Chiara: Innerhalb der Formula Student hat unser Rennteam ein echtes Alleinstellungsmerkmal: Global Formula Racing ist das einzige funktionierende Team im Wettbewerb, das aus Studierenden zweier Nationen besteht. Zum einen wir hier, die an der DHBW Ravensburg mit Campus Friedrichshafen studieren, zum anderen Studierende der Oregon State University (OSU) in den USA.
Luis: Und trotz der 8.770 Kilometer Entfernung, 9 Stunden Zeitverschiebung und zwei unterschiedlichen Sprachen, schaffen wir es immer wieder, zusammen zwei einsatzbereite Rennautos zu entwickeln und zu fertigen.
Chiara: Die mit jedem Jahr sogar besser werden! Denn natürlich ist ein optimierter Rennbolide mit reduziertem Gewicht und erhöhter Leistungsfähigkeit unser oberstes Ziel, um bei den Wettbewerben im vorderen Feld abzuschneiden.
Ihr sagt, dass euer Team über den großen Teich hinweg funktioniert. Wie macht ihr das konkret?
Chiara: Google Meets, E-Mail, Google Chat und Spaces... da nutzen wir wirklich alles, um uns auszutauschen. Dazu haben wir regelmäßige Meeting Zeiten festgelegt, die bei uns abends, in den USA also immer am Morgen stattfinden. Das Ganze funktioniert auch deshalb so gut, weil das Team an der OSU anders organisiert ist. Da studiert man Vollzeit und hat deswegen auch weniger Vorlesungen an einem Tag.
Luis: Andersrum passen wir uns sprachlich an. Die Kommunikation untereinander läuft komplett auf Englisch – auch, weil das die Wettbewerbssprache der Formula Student ist –, was gerade am Anfang echt anstrengend war. Dafür sprechen wir es jetzt umso besser!
Ergeben sich aus dem internationalen Zusammenspiel noch weitere Vorteile für euer Rennteam?
Luis: Wettbewerbsvorteile, ganz klar! Wir treten bei der Formula Student ja gleich mit zwei Autos an, was uns gegenüber anderen Teams einen taktischen Vorteil bringt.
Chiara: Obwohl beide Rennwagen mit demselben elektrischen Antrieb fahren, können wir an zwei unterschiedlichen Wettbewerbsklassen teilnehmen: autonom und elektrisch. In der Klasse „Verbrenner“ starten wir dagegen nicht mehr, obwohl wir da erstrangig waren. Heute zählt der Elektro-Antrieb und unser amerikanischer Rennwagen ist im autonomen Fahren sehr stark.
Zwei Wettbewerbsklassen bedeuten auch deutlich mehr Aufwand für euch, z. B. bei der Organisation und Koordination. Lohnt sich das denn?
Luis: Unterm Strich profitieren wir als Team davon. Wir können uns personell auf zwei Autos aufteilen und zeitlich nimmt es Druck raus. Ein Beispiel: Als im Juni unser autonomes Modell bereits erste Wettbewerbsrunden in Amerika drehte, konnten wir auf deutscher Teamseite noch hochkonzentriert an unserem E-Auto arbeiten.
Chiara: Durch den zeitlich versetzten Ablauf hatte der betreuende Dozent der OSU am Tag unserer Präsentation sogar Luft, uns per Videobotschaft zum neuen Auto zu gratulieren. Und viele der amerikanischen Teammitglieder sind schon samt Auto zu uns nach Deutschland geflogen. Ein tolles Gefühl, so eng verbunden zu sein!
Ihr habt uns, euren anderen Sponsoren, Freunden und Familie das neue Auto im Juli vorgestellt. Nicht alle konnten dabei sein. Deshalb, erklärt das Neue daran bitte kurz.
Chiara: In diesem Jahr stechen die Neuerungen an der Aerodynamik heraus. Nach 2016 wurde erstmals wieder ein DRS-System entwickelt, wodurch der Fahrer einige Elemente des Rückflügels flach stellen kann und das Auto auf der Geraden mit weniger Luftwiderstand fährt – also schneller. Auch am Front Wing und der Undertray haben wir aerodynamisch neu gedacht und weiterentwickelt.
Luis: Und „Aerodynamics“, also Chiaras Subteam, entwickelt die aerodynamischen Komponenten nicht bloß, sondern fertigt sie sogar selbst aus Carbon.
Luis, und welche Aufgabenbereiche übernehmt ihr anderen im Team?
Luis: Das Subteam „Epowertrain“ übernimmt sämtliche elektronischen Komponenten von der Batterie bis zum Kabelbaum, „Suspension“ ist fürs Fahrwerk zuständig, heißt: Lenk-, Gas- und Bremssysteme, Räder und Felgen. Dann gibt es noch „Autonomous“, die z. B. Computersysteme und Sensoren verantworten, und das Team „Management“.
Chiara: Letzteres wird manchmal unterschätzt, ist aber gerade aufgrund der zwei Nationen unfassbar wichtig für den reibungslosen Ablauf. Auch ohne Marketing, Social Media, Teamevents und was die alles stemmen, ginge bei GFR im Grunde nichts...
Wie unfassbar viel Aufwand das alles bedeutet! Verratet uns zum Schluss deshalb bitte noch eins: Warum macht ihr das Ganze?
Chiara: In erster Linie zum Gewinnen! Wir arbeiten monatelang auf die Wettbewerbe hin, da wollen wir einfach die Besten sein. Am besten zurück an die Spitze der Formula-Student-Weltrangliste.
Luis: Das ist unsere „One mission“, die uns als GFR-Team verbindet. Wir arbeiten einfach super zusammen, da sind Zeitverschiebung und lange Transportwege kein Hindernis.
Und in einem Team dabei zu sein, das das 2022er Rennauto von Grund auf aufgebaut und zusammengeschraubt hat, macht mich richtig stolz. Ich habe gerade bei Themen zur Konstruktion, Fertigungstechnik oder Montage wahnsinnig viel dazu gelernt. Zum Beispiel weiß ich nun, wie man richtig mit Carbon arbeitet und daraus Aerodynamikteile herstellen kann.
Chiara: Der Bau der aerodynamischen Komponenten hat mich auch am meisten fasziniert. Es gibt quasi kein aerodynamisches Teil am Auto, dessen kleinere Mäkel oder dessen Erschaffungsgeschichte ich nicht kenne. Es ist toll, was wir alles gemeinsam – als Team – geleistet haben. Und an die nächtelangen Tüfteleien in der Werkstatt werde ich mich immer erinnern.
Die viele Zeit und die harte Arbeit, die wir in die Entwicklung und Fertigung unseres Rennwagens gesteckt haben, hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wir sind einfach stolz auf die erreichten Ergebnisse in diesem Jahr.
Luis: Ohne dieses einzigartige Team wäre zum Beispiel auch der 2. Platz zum Saisonabschluss in Spanien nicht möglich gewesen – da bin ich mir ganz sicher.
Vielen Dank euch für die spannenden Einblicke!
Zum Hintergrund:
Der Hochschulwettbewerb Formula Student wird seit der ersten offiziellen Austragung 1979 immer populärer. Inzwischen beteiligen sich über 20 Länder und mehr als 600 Universitäten und Hochschulen daran. Gewinner wird nicht nur das Team mit dem schnellsten Auto, sondern vielmehr das mit dem besten Gesamtpaket aus Konstruktion, Leistung sowie Finanz- und Vertriebsplanung. Durch die Teilnahme an Formula Student sammeln die Studierenden Erfahrungen in Teamwork, Zeit- und Projektmanagement, Konstruktion, Fertigung und in wirtschaftlichen Aspekten des Automobilbaus. Eine Idee, die Waldner durch das Sponsoring des GFR Rennteams und der dual Studierenden fördert und unterstützt.
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