Ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Martin Braun, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
Fit im Alter – ARBEITSGESTALTUNG IM WANDEL
Getroffen haben wir Martin Braun auf unserem Symposium, als er dort seinen Vortrag über die Arbeitsgestaltung im sozio-demographischen Wandel gehalten hat. Für unser Magazin hat er zu diesem Thema einen Gastbeitrag geschrieben.
In einer alternden Gesellschaft steigt das Durchschnittsalter der Belegschaften. Ferner werden Engpässe bei der Rekrutierung des betrieblichen Nachwuchses erwartet: In den nächsten zwanzig Jahren wird der Bevölkerungsanteil im erwerbsfähigen Alter schneller schrumpfen als die Gesamtbevölkerung. Da „intelligente Maschinen“ die kommunikativen und kreativen Fähigkeiten des Menschen absehbar nicht umfassend substituieren können, kommen betriebliche Entscheider nicht umhin, sich mit Fragen der Arbeitsfähigkeit älterer Erwerbstätiger zu befassen. Dabei steht das Lebensalter einer Tätigkeitsausübung grundsätzlich nicht entgegen. Zum Problem wird das Altern im Arbeitsleben erst, wenn Beschäftigte über Jahre hinweg einseitig belastende Tätigkeiten ausüben.
Leistungsvoraussetzungen im Alterungsprozess
Im natürlichen Alterungsprozess durchlebt der Mensch eine Reifephase, in der er Fähigkeiten erwirbt, bevor degenerative Prozesse zunehmen. Der individuelle Alterungsprozess ist durch eine Veränderung spezifischer Leistungs- und Persönlichkeitsmerkmale gekennzeichnet. So sind Erfahrungs- und Fachwissen sowie Selbst- und Sozialkompetenzen der Älteren im Allgemeinen besser ausgeprägt. Gleichzeitig nehmen Gesundheitsrisiken – wie Schädigungen der Lendenwirbelsäule oder des Herz-Kreislauf- Systems – im Alter tendenziell zu.
Arbeit für Ältere gestalten
Arbeitsbedingte Degenerationsprozesse lassen sich mittels präventiver Gestaltungsmaßnahmen und Training abwenden oder zumindest abmildern. Hierfür kommen Maßnahmen einer alterns- bzw. altersgerechten Arbeitsgestaltung in Betracht: Eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung orientiert sich am Alterungsprozess unter Einbeziehung des gesamten Erwerbslebens aller Altersgruppen im Betrieb. Eine altersgerechte Arbeitsgestaltung wiederum fokussiert altersspezifische Unterschiede und berücksichtigt einen lebensphasenorientierten Leistungswandel.
Drei Säulen der betrieblichen Arbeitsgestaltung
Um dies umzusetzen, haben sich drei Ansätze bewährt. Zum einen eine menschengerechte und lernförderliche Arbeitsgestaltung. Denn ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze und regelmäßige Tätigkeitswechsel kommen allen eingesetzten Beschäftigten zugute. Zum anderen eine Antizipation möglicher altersbedingter Veränderungen: Zusätzliche Anforderungen lassen sich durch Nachrüstmodule (z. B. Beleuchtung, Körperstütze) am Arbeitsplatz oder durch modifizierte Arbeitsinhalte kompensieren. Als drittes gilt es, altersbedingte Leistungseinschränkungen nicht einsatzkritisch werden zu lassen. Hier kommt ein frühzeitiger Übergang von körperlich beanspruchenden Tätigkeiten hin zu koordinierenden bzw. überwachenden Arbeitsaufgaben in Betracht oder eine Reduzierung von Nachtschichtarbeit. Daraus folgt: Unternehmen stehen vor der Herausforderung, individuelle menschliche Leistungsvoraussetzungen, betriebliche Arbeitsbedingungen und vielfältige Kundenbedürfnisse in ein gesundes Verhältnis zu bringen. Aufgabe ist es dabei, diese ständig variierenden Faktoren situativ zu koordinieren. Dies setzt Erfahrung, Problembewusstsein, Sozialkompetenz und Lernbereitschaft voraus. Doch Investitionen in alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen, die zur Entfaltung des individuellen Leistungsvermögens der alternden Belegschaft beitragen können, lohnen sich. Denn Unternehmen können ihre Flexibilität und Innovationskraft nur steigern, wenn diese Kundenorientierung vom Erfahrungsschatz und dem Engagement ihrer Mitarbeiter getragen wird.
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